28.10.2015: Seit einigen Stunden sind wir im Gregory Nationalpark unterwegs. Das Terrain ist anspruchsvoll und immer wieder gilt es, trockene Flussbetten zu queren. Der Grund dieser Wasserläufe ist felsig und steinig, weshalb schon einige Reifen gewechselt werden mussten.

Doch jetzt steht ein besonderes “Hindernis” im Weg: Wir fahren in ein heiliges Gebiet der Aborigines mitten im Nationalpark. Als Vertreter seines Aborigine-Clans begleitet uns Larry bei der Einfahrt in das Territorium, das für die Ureinwohner Australiens als wichtige spirituelle Stätte gilt. Er hat zudem eine sehr spezielle Aufgabe: Jeder Teilnehmer unserer Expedition empfängt heute eine Art heilige Waschung durch ihn. Ohne sie gibt es keine Einfahrt in das Gebiet – die Ahnen des Clans wollen es so.

Selbstverständlich lassen wir alle die Prozedur über uns ergehen, der Ablauf ist recht einfach: Mit einer Blechtasse schöpft Larry etwas Wasser aus dem Bachlauf, der das heilige Land seines Clans begrenzt. Mit der ersten Hälfte der Tasse wäscht der Aborigine uns symbolisch den Kopf, die andere Hälfte ist für unseren rechten Arm – das war’s auch schon.

Außer der vorgeschriebenen Waschung gibt es noch eine weitere Regel, die wir auf den nächsten Kilometern befolgen sollen: Wir müssen uns genau an die vorgegebene Route halten, aussteigen ist verboten! Larry wird ernst, als er uns erklärt: „Hier darf nichts verändert werden, kein Zweig darf abgebrochen werden!“

Die Waschung erlaubt uns aber nicht nur, das Gebiet überhaupt zu betreten. Sie soll uns außerdem auch zu Glück und Gesundheit verhelfen. „Das nimmt man doch gerne mit“, denke ich mir, als ich an der Reihe bin und muss ein wenig schmunzeln.

Ähnlich dachte das auch unser Expeditionschef Dag Rogge, als er vor einem Jahr hier war, um die Route zu erkunden. Auch er ließ sich damals waschen und durchfuhr das Gebiet anschließend ohne Probleme. Die einzige besondere Begebenheit unterwegs waren zwei kämpfende Bullen am Wegesrand. Doch als er später den aufgezeichneten GPS-Track auf seinen Computer übertragen wollte, stellte er etwas merkwürdiges fest: “Genau ab der Stelle der Waschung fehlte der Track!“, berichtet er uns. Dag versuchte dasselbe mit einem zweiten GPS-Tracker, den er mit dabei hatte. „Ich dachte, ich sehe nicht richtig – wieder kein Track! Seitdem glaube ich wirklich, dass diese Gegend eine besondere ist!“ sagt der 52-jährige Abenteurer und schüttelt mit dem Kopf, noch immer ein wenig erstaunt.

Nach seiner Geschichte belächelt keiner mehr das Aborigine-Ritual. Die ganze Expeditionsgruppe steht geduldig bei Larry am Bach in der Schlange – wir fahren erst in das Gebiet ein, als auch der letzte von uns nach alter Tradition “gewaschen” wurde.

Heute funktionieren zum Glück auch unsere GPS-Geräte. ;)

Euer Timo
#LET2015