Langsam kippen die zwei Tonnen Gewicht über die Kante des Hindernisses. „Jetzt nicht bremsen“, ermahnt Instruktor Boris Nach noch kurz. Dann geht es los.
Der Discovery bewegt sich nach vorne und gibt den Blick auf das 110 Grad Prozent frei. Ach du meine Güte! Der Atem stockt. Gefühlt werden wir gleich Kühlergrill voran aus 20 Metern im Schotter einschlagen. Mein Puls wird schneller. Der Wagen rollt einen weiteren Meter. Der Oberkörper kippt nach vorne in den Gurt.
„Nicht bremsen“, wiederholt Patrick abermals. Ich sitze auf dem Rücksitz. Muss mich voll und ganz auf Fahrer und Fahrzeug verlassen. Kurz überlege ich, die Augen zu schließen, entscheide mich jedoch dagegen. Ich will es sehen. Mit eigenen Augen. Dann passiert es. Das für jeden Otto-Normal-Autofahrer schier Unglaubliche: Die Descent Control greift.
Wie von Zauberhand werden wir sanft, aber dennoch kraftvoll abgebremst. Stückchen für Stückchen klettern wir mit Hilfe des elektronischen Assistenzsystems das Gefälle hinab.
Es ist der dritte und letzte Finaltag des diesjährigen LET-Vorentscheids. Heute können die Bewerber noch einmal an drei Stationen auf dem 12 Hektar großem Testgelände unter Beweis stellen. So auch am 110 Grad Gefälle.

Besser im Team

Während Susanne den Wagen sicher über die Hindernisse steuert, navigiert Lena sie per GPS von einer Station zur nächsten. „Noch acht Meter, noch fünf. Jetzt rechts einschlagen.“ Der große 4WD kommt vor einer m-förmigen Hügelformation zum Stehen. Links und rechts säumen große Felsblöcke den Fahrweg.

„Traust du dir zu, dieses Hindernis zu fahren, ohne gemarshallt zu werden?“, hakt Patrick vorsichtig nach. Susanne überlegt kurz. Danach bittet sie Lena, voranzugehen. Mit hochgereckten Armen läuft die Blondine nun rückwärts vor dem Fahrzeug. „Ein bisschen mehr nach rechts. Stopp. Jetzt wieder gerade.“

Wie so oft an diesem Wochenende zeigt sich einmal mehr, dass im Gelände gute Zusammenarbeit und Kommunikation unerlässlich sind.

Zusammenspiel am Flaschenzug

Das bestätigt auch Teilnehmer Lars Lellek eine Station weiter, beim „Pyramid Stacking“. Hier geht es darum, auf Zeit eine dreiteilige Pyramide peu a peu abzubauen und an einem anderen Ort wieder aufzubauen. Zur Verfügung stehen lediglich zwei Führleinen und zwei Flaschenzüge, die wiederum im 90 Grad Winkel über zwei Fahrzeuge zu steuern sind.
Je nachdem welches Fahrzeug nach vorne oder nach hinten rollt, bewegt sich das eingeklinkte Pyramidenstück nach oben bzw. unten. Bewegen sich die Fahrzeuge gleichzeitig in gegensätzliche Richtungen, kommt es zu einer Seitwärtsbewegung des Bauteils. Für die finale Feinjustierung per Hand sind zusätzliche Führleinen angebracht.

Damit eine gewissen Koordination zustande kommt, tauschen sich die jeweiligen Kandidatenpaare über die offenen Wagenfenster aus.

„Wir haben den Fehler gemacht, zu sehr an der Führleine zu ziehen“, bereut Lars Lellek im Nachgang seine Taktik. „Eigentlich reicht es die Teile zu 99 Prozent über die Fahrzeuge zu steuern und nur für den letzten Zentimeter die Leinen zu nutzen.“

Nun steht er am Rand und beobachtet, ob Kea-Sophie Weber und Laura Köhler es besser hinbekommen. Geschickt manövrieren die beiden Frauen die Teile von einer Palette zur anderen. Auch ihre Zeit kann sich sehen lassen. „Kommunikation können wa, ne?“, scherzen die beiden im Anschluss an die Challenge.

Rangieren für Fortgeschrittene

Erleichterung macht sich bei den meisten Kandidaten auch nach Absolvieren der dritten Tagesaufgabe breit. Hier gilt es einen Range Rover Evoque in möglichst wenig Zügen und auf Zeit zu wenden. Hierzu hat das Team von Sandro Neldner einen Kreis von sechs Metern Durchmesser abgesteckt. „Die Holzpfeiler dürfen hierbei nicht berührt werden, außerdem muss es während der Challenge einen Fahrerwechsel geben“, erklärt Sandro im Vorfeld die Aufgabe.
„Wie der Winkel zur Kreiseinfahrt gewählt wird, ist dabei jedem selbst überlassen. Rangiert euch das Fahrzeug so hin, wie es für euch Sinn macht. Wir zählen erst, sobald ihr in den Kreis eingefahren seid.“
Wie wichtig dieser Tipp ist, beweisen die Resultate der Kandidaten. Wer schnurgerade einfährt, habe generell keine so guten Karten, weiß der Experte. Vielmehr komme es darauf an, möglichst schräg loszulegen und das Fahrzeug in den weiteren Rangierzügen über den Mittelpunkt zu drehen.

„Gestern haben es zwei Teams leider nicht geschafft“, erzählt Sandro weiter. Dies sei insofern schade, da im Gelände schon ein gewisses Gespür für das Fahrzeug notwendig sei. Sicherlich, ist es auf der Experience immer die Möglichkeit, sich gegenseitig in kniffeligen Situationen von außerhalb zu lotsen. Jedoch müsse dabei auch bedacht werden, dass der auf der Tour gefahrene Discovery doch noch ein ganzes Stück größer sei, als der Evoque.

Außerdem gäbe es noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Punkt: „Natürlich schauen wir auch auf die Teamfähigkeit der Kandidaten. Schließlich müssen jene sechs Personen, die wir auf die Tour mitnehmen, drei Wochen lang gut miteinander funktionieren – auch in schwierigen Situationen und unter Druck. Das kann man nicht lernen. Entweder man hat es oder nicht.“

Wer fährt nach Peru?

Doch wen hält die Jury für derart teamtauglich? Wem traut sie es zu, das dreiwöchige Abenteuer zu bestehen? Fragen, auf die die Teilnehmer um 15 Uhr eine Antwort erhalten.

Gebannt blicken alle nach vorne, während die LET-Leitung die künftigen Teilnehmer der Land Rover Experience 2017 verkündet.
Unter tobendem Beifall erfahren Judith Schneider, Marcel Allner, Anna-Lena Schmitt, Bastian Behrends, Jennifer Mathwig und Nico Sollazzo, dass es für sie tatsächlich im Oktober nach Peru geht.

An dieser Stelle auch von mir: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!