»Gib‘ Gas, gib‘ Gas, gib‘ Gas! Looos!« Joe ruft, ich kreische. Die Räder drehen durch, Kieselsteine scheppern an die Scheibe, wir rollen den Abhang rückwärts hinunter. »Bremsen!« Ich trete in die Pedale. Wir stehen. Auf einer 75-prozentigen Steigung, mein Herz bumpert.

Das Land Rover Experience Center in Wülfrath ist ein Abenteuerspielplatz für große Kinder. Auf einer Fläche von 12 Hektar, so weitläufig wie 17 Fußballfelder, erstreckt sich das Fahrgelände. In dem stillgelegten Steinbruch wechseln sich Schräglagen, Schlammlöcher, Hügel und Sandpisten ab. Die reinste Offroad-Gaudi.

Doch auch Geschicklichkeit fordern die Juroren von den sechzig Kanidaten ein. Anselm ist mit seinen 21 Jahren das Küken der Truppe. Zusammen mit Teampartner Nico versucht er, eine mannshohe Pyramide zu bauen. Drei Teile sollen innerhalb von zwanzig Minuten aufeinandergesteckt werden. Klingt einfach, allerdings stapeln die Jungs nicht mit ihren Händen, sondern mit zwei Autos. Nico sitzt in dem einen, Anselm in dem anderen. Die Land Rover sind via Seilsystem mit einem Flaschenzug verbunden, der durch Vor- und Zurückfahren direkt über die Pyramidenklötze manövriert wenden muss. Jeder Fahrer hält zudem ein Handseil in seinen Fingern, womit er die Ausrichtung der Teilstücke steuern kann. »Fahr zwei Millimeter vor, Nico!« ruft Anselm seinem Kollegen zu, »nein zurück. Stopp!«
Die Burschen sind geschickt. Nach 9 Minuten und 21 Sekunden sind alle drei Klötze gestapelt und die Pyramide ist geschafft.

»Teamwork ist alles«, sagt Anselm lächelnd, »wir müssen zusammenhalten, sonst funktioniert hier gar nichts.« Nico bejaht. Er hat bereits ein echtes Offroad-Abenteuer erlebt. Vor fünf Jahren gondelte er gemeinsam mit seinem Bruder im Mietwagen durch Afrika. 7.000 Kilometer hatte das Auto am Ende des Trips auf dem Buckel, und Nico lächelt selig. »Das war bisher meine schönste Reise. Die Sonnenuntergänge und die Natur werde ich nie vergessen.«

Hundert Meter weiter lenkt Steffen einen Evogue in einen durch Pfosten begrenzten Wendekreis. Der Durchmesser des Käfigs beträgt nur knapp sechs Meter. Aufgabe: Mit der Nase rein, mit der Nase raus und das in so wenig Zügen wie möglich. Der 44-jährige schlägt das Lenkrad nach rechts, dann zurück. Das Auto piept. Manch einer braucht nur fünf Züge, um den Zwinger zu verlassen, andere fünfzig. Steffen ist mit 14 Zügen draußen und freut sich. »Das war nicht leicht, aber hat Spaß gemacht.«
Sollte er unter den sechs glücklichen Gewinnern sein, so erwartet ihn allerdings eine ganz andere Herausforderung als zwei Wochen peruanische Wüsten, Regenwälder und Gipfel. »Mein Sohn ist sechs Jahre alt. Solange waren wir noch nie getrennt.«

In einem Zelt am Rande des Parcours flattern erneut die Nerven. Die Teilnehmer füllen Fragebögen aus und werden zum Interview gebeten. Als wäre das nicht schon aufregend genug, zeichnet zudem eine Videokamera das Kreuzverhör auf. Die Juroren prüfen die Finalisten auf Herz und Nieren, denn Fahrtricks kann jeder lernen, soziale Kompetenzen jedoch nicht.

Chef im Treff ist Dag Rogge. Seit 17 Jahren organisiert er die Land Rover Experience Tour. Sie gilt als der Nachfolger der legendären Camel Trophy und ist damit eines der größten Offroad-Abenteuer der Welt. Ob Jordanien, Bolivien, Australien oder die Seidenstraße – Dag Rogge liebt die Ferne und bleibt ein Sehnsüchtiger. Die Welt ist einfach zu schön. »Ich bin ein glücklicher Mensch«, sagt er und man glaubt ihm jedes Wort.
Wahrscheinlich sind es nicht nur berauschende Landschaften, die entzücken, wahrscheinlich ist es der Stil der Reise. Die Strecke wird gefahren, sie wird gerochen und gespürt. Man sitzt nicht im Flugzeug, sondern man kann rausschauen und diese wunderherrliche Erde begaffen.
Einer Legende zufolge sprach ein Indianer nach seiner ersten Eisenbahnfahrt folgende Worte: »Wenn du an einen neuen Ort gelangst, warte. Es braucht Zeit, bis die Seele nachkommt.« In diesem Sprichwort steckt viel Weisheit. Über den Landweg reist die Seele nach. Und vielleicht sieht Dag Rogge deshalb so glücklich aus.

»Jetzt gib‘ Gas!« ruft mir Joe zu und ich packe die 75-prozentige Steigung. Meine erste. Ich habe viel geschrien, geflucht und gejammert, doch Joe hat mir mit seiner unaufgeregten Art Mut zugesprochen. Ohne ihn hätte ich das nicht geschafft.
Zum Glück erfahre ich erst hinterher, dass ich in einem nagelneuen Discovery saß, der locker 70.000 Euro gekostet hat. Man muss ja nicht alles wissen.
Doch eins ist nach wackeligen Brücken und buckeligen Schlaglochpisten klar: Die Freude beginnt, wenn die Straße aufhört.

Freudige Gesichter leuchten auch am Abend. Zwei Tage liegen bereits hinter den Kanditaten. Jetzt lauschen sie bei Bier, gegrillten Maiskolben und Süßkartoffelringen peruanischer Musik. Die meisten von ihnen wippen zum Takt, tanzen und singen. Draussen brennt ein Lagerfeuer und nach Stunden kriechen viele erschöpfte Menschlein in ihre Zelte. Morgen warten die nächsten Prüfungen.